Logistik: Kunden immer anspruchsvoller


Zwar vereinen Amazon, Ebay und Co. fast zwei Drittel des gesamten E-Commerce-Umsatzes auf sich. Doch auch der verbleibende Kuchen ist noch groß genug für kleine und mittelständische Unternehmen, um vom Onlinegeschäft zu profitieren.
Onlinebestellungen sind für Kunden zwar mittlerweile simpel. Doch hinter dem scheinbar einfachen Klick am PC oder Smartphone laufen teilweise hochkomplexe Prozesse ab. Sie sorgen dafür, dass Menschen ihre Kaufbedürfnisse schnell und preiswert realisieren können. Ein Beispiel: Ein bestelltes Produkt, zum Beispiel ein Paar Schuhe, wird kurz nach der Onlinebestellung in einem Zentrallager in ein Paket verpackt und schon über Nacht in ein Paketzentrum in der Nähe des Bestellers transportiert. Dort wird es vom Paketboten an die Haustür ausgeliefert, beim Nachbarn abgegeben oder kommt in eine Packstation, wo der Kunde sich die Schuhe abholt. In das Lager kam das Produkt vom Hersteller, wurde aufbereitet, etikettiert und eingelagert – bis zur Bestellung.

Die Organisation und Steuerung dieses gesamten Lieferprozesses, vom Rohstoffabbau bis zur Lieferung an den Verbraucher, ist die eigentliche Logistik. Eine einfache Definition der Logistik lautet daher: Lieferung des richtigen Guts in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten. Sieht man Logistik im Onlinehandel als komplexen Prozess, ist sie die integrierte Planung, Organisation, Steuerung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten Material- und Warenflusses, inklusive Informationsflüsse, bis hin zur Auslieferung der Produkte, inklusive Entsorgung und Recycling.

Die Erwartungen von Kunden haben sich deutlich gesteigert: Sie schätzen die Bequemlichkeit von der Bestellung über die Zahlung bis hin zur Lieferung. Selbst die schnelle Zusendung oder gar Auslieferung am selben Tag (Same Day Delivery) sind heute schon lange keine ausreichenden Qualitätsmerkmale mehr. Kunden wollen heute ständige Transparenz über den Lieferweg, den Status der Bestellung und das Eintreffen der Ware. Bei großen Onlineshops weiß der Kunde bereits wenige Minuten nach Absenden seines Warenkorbs, welchen Status seine Bestellung hat, und kann quasi live verfolgen, wo sich gerade die Ware befindet.

Kurz: Schöne Produkte und eine hübsche Internetseite alleine reichen heute im Onlinehandel nicht mehr, wenn das Fulfillment nicht passt. Neben der Logistik ist der gesamte Prozess, von der Bestellung bis zum Öffnen der Verpackung zu Hause, der Benutzung des Produkts und sogar dem After-Sales-Service – also dem Fulfillment – entscheidendes Kriterium, um Kunden zufriedenzustellen und an einen Onlineshop zu binden. Denn kommen zum Beispiel die falschen Artikel an, kommen sie zu spät oder gar beschädigt, wird ein Kunde ungern erneut beim selben Onlineshop einkaufen. Wie Kunden einen Einkauf im Onlineshop bewerten, hängt maßgeblich mit den Erfahrungen zusammen, die man nach dem Klick auf den Bestellbutton auf der Webseite macht. So ist die Logistik gerade im umkämpften Handelsmarkt zu einem der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren geworden.

Das Fulfillment ist oft eine große, bisweilen sogar zu große Herausforderung für Betreiber von Onlineshops. Gerade Start-ups im Versandhandel kommen mit dem Absatzerfolg oft nicht klar. Um die bestellten Waren pünktlich auszuliefern und sich um die Retouren und deren Abwicklung zu kümmern, ist ein enormer Zeit- und Kostenaufwand nötig. Für Gründer ist das eine kritische Phase, da nur eine vernünftige Abwicklung ein erfolgreiches Online-Geschäftsmodell gewährleistet.

Wenn KMUs aufgrund zahlreicher Artikel und den mit der Logistik und dem Fulfillment zusammenhängend notwendigen Tätigkeiten überfordert sind, suchen diese sich daher auf den Onlinehandel spezialisierte Logistikdienstleister. Tatsächlich haben viele Onlineshops heute weder eine eigene Distribution noch Logistik. Die Entscheidung für auf den Onlinebereich spezialisierte Fulfillmentlogistiker und Serviceanbieter ist nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus Machbarkeits- und Effektivitätsgründen geboten. Fulfillmentaktivitäten können spezialisierte Dienstleister sehr viel besser als Anbieter von Rundum-sorglos-Logistik ausführen – das hat aber seinen Preis. Damit Unternehmen die richtige Wahl des Dienstleisters treffen, müssen zunächst die Prozesse genau analysiert werden. Oftmals unterschätzen KMUs auch, dass zusätzlich das Retourenmanagement organisiert und die Warenrückführung geplant werden müssen. Entweder vor dem Versand oder danach müssen zudem Rechnungen geschrieben, die Zahlungsabwicklung erfolgen oder auch Mahnungen verschickt werden.

Onlinehändler stehen bei diesem Prozess vor der grundsätzlichen Entscheidung der Abwicklung ihrer Logistik. Daher sind genaue Abwägungen in verschiedenen Bereichen notwendig. Daraus leiten sich schließlich die Wahl des Dienstleisters und die notwendigen Schritte ab, die der Händler selber durchführen kann und muss – und die er outsourcen kann. Auf dem Markt bieten zum einen reine Logistikunternehmen ihre Dienstleistungen an. Diese konzentrieren sich auf den Versand und eventuell Teile der Lagerhaltung. Der Logistiker holt verpackte Waren ab oder erwartet deren Einlieferung in einem Versandzentrum und übernimmt dann den Transport. Fulfillmentdienstleister bieten weitaus mehr Services – von einzelnen Zusatzdienstleistungen für die Onlineshopbetreiber bis hin zur Übernahme aller mit der Prozessabwicklung notwendigen Fulfillmentprozesse.

Die Entscheidung hängt von den Eigenheiten und Produkten des Onlinehändlers, aber auch von einer Kosten-Nutzen-Abwägung ab. Von zentraler Bedeutung beim Outsourcing von Logistikdienstleistungen für KMUs sind die Kosten. Zu berücksichtigen sind Grundkosten, zuzüglich der Kosten pro Transaktion / Versandkosten sowie zusätzlich die Kosten der Rücksendung. Zudem können Lagergebühren hinzukommen. Die Gebühren variieren je nach Art des Artikels, Abmessung / Größe der Verpackung und Gewicht sowie gewählter Versandmethode. Es sind somit zahlreiche Kostenkomponenten zu berücksichtigen. Der Händler sollte genau prüfen, welche Services im Preis enthalten sind, um böse Überraschungen zu vermeiden. Lagerhaltung, Bestandskosten, die eigentlichen Transport- / Frachtkosten, Kommissionierungs-, Verpackungs- und Versandkosten, Entsorgungs- sowie Auftragsabwicklungskosten fallen an. Ein hoher Lagerbestand vermindert zwar Fehlmengenkosten und erhöht die Lieferbereitschaft, dann steigen aber die Lagerhaltungskosten. Mit der Logistikkostenrechnung wird versucht, ein Optimum zu bilden.

Um den optimalen Logistikdienstleister zu finden, stellt sich für KMUs die Frage, an wen vor allem Pakete gesendet werden und welche Liefergebiete zu berücksichtigen sind. Sind die Kunden vorwiegend Privathaushalte, sollte ein Unternehmen beauftragt werden, das sich darauf spezialisiert hat und zum Beispiel auch an stationären Handel liefert. Spezifische Funktionalitäten wie die elektronische Übermittlung einer Nummer für das Tracking, also die Verfolgung der Sendung, gibt es bei vielen Anbietern nur für die Lieferung an Geschäftskunden. Dafür ist eine Mindestmenge an Paketen pro Jahr zu verschicken (meist über 300 bis 500). Weitere bei der Kosten- und Preisermittlung der Logistik zu berücksichtigende Kriterien sind mögliche Grenzen bei den Abmessungen eines Pakets oder des Gewichts der Sendung beim Versand oder die Anzahl der Zustellversuche.

Bei Fulfillment-Komplettdienstleistern ist der Preis deutlich höher, da dort Waren und Artikel gelagert werden, der Dienstleister Sendungen zusammenstellt und verpackt. Das müssen Onlinehändler bei der Preiskalkulation einberechnen. Die Preise sind auch hier abhängig von der Anzahl der gebuchten Dienstleistungen, der Zahl der Sendungen und vom Volumen der Waren oder Sendungen.


Autor
Andreas Köninger
Vorstand
SinkaCom
Wiesbaden

IHK WirtschaftsForum
August 2014