50 Jahre Main-Taunus-Zentrum: "In der Region verwurzelt"


Herr Borutta, ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese war auch in Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders noch ein Novum. Welche Kriterien waren in den Sechzigern bei der Standortwahl des Main-Taunus-Zentrums ausschlaggebend?
Borutta: Lage ist im Handel alles – das war vor 50 Jahren nicht anders als heutzutage. Kriterien waren für die Investoren damals: so zentral wie möglich, so gut erreichbar wie möglich, überdurchschnittliche Kaufkraft im Einzugsgebiet. Der Standort des MTZ – vor den Toren Frankfurts und am Rand des Taunus – passte perfekt.

Somit hat sich das Main-Taunus-Zentrum seinerzeit den besten Standort in FrankfurtRheinMain gesichert?
Borutta: Genau. Inzwischen ist der Markt in der Region schon sehr verteilt. Neue Standorte benötigen daher eine gewisse Anlaufphase, um sich am Markt zu etablieren – immer vorausgesetzt, Lage und Angebot stimmen.

Mal abgesehen vom Standort: Gibt es weitere Erfolgsfaktoren, die das Main-Taunus-Zentrum von anderen Shoppingcentern unterscheiden?
Borutta: Neuere Shoppingcenter haben in der Regel zwei Magnetmieter – meist ein Großtextilist und ein Unterhaltungselektroniker. Ergänzt wird dieses Konzept durch mehrere kleine Shops. Im MTZ haben wir einen einmaligen Branchenmix, der Kunde bekommt alles aus einer Hand. Wir haben hier alle Marken vereint, die Rang und Namen haben. Jedes Sortiment hat natürlich seine Spitzen – Valentinstag oder Muttertag bringen manchen Sortimenten richtig Frequenz, während andere Shops nicht unbedingt daran partizipieren. Aber wegen des breiten Sortiments sind wir das ganze Jahr über attraktiv für Besucher. Das zeigt sich auch an der Kundenfrequenz, die recht gleichmäßig über das Jahr verteilt ist, mit Ausnahme des im Einzelhandel allgemein umsatzschwachen Monats Februar. Unser großer Wettbewerber ist die Zeil.

Mit einer Erweiterung der Verkaufsfläche um 12 000 Quadratmeter und 70 neuen Shops hat sich das MTZ Ende 2011 deutlich vergrößert. Konnten Sie dadurch Ihre Marktposition weiter ausbauen?
Borutta: Ja, inzwischen wird dort ein Fünftel unseres Gesamtjahresumsatzes erwirtschaftet. Im Vorfeld der Planungen haben wir analysiert, was die Kunden im MTZ noch vermissen. Wichtigste Punkte waren die Verjüngung des Sortiments sowie die qualitative wie quantitative Ausweitung des Gastronomieangebots. Mit der Norderweiterung konnten wir diese Kundenwünsche realisieren, außerdem Flächen optimaler ausnutzen sowie internationale Konzepte und Frequenzbringer integrieren, wie Apple oder Hollister.

Ganz nüchtern betrachtet, hat das Main-Taunus-Zentrum mit den neuen, durchgestylten Shoppingcentern und ihrer standardisierten Architektur wenig gemein. Der ältere Teil des MTZ ist nie aufgehübscht worden, er ist noch unverkennbar ein Kind seiner Zeit. Warum ist das MTZ mit über zehn Millionen Besuchern jährlich trotzdem so erfolgreich – ist Ambiente am Ende des Tages dann doch nicht alles?
Borutta: Die Kunden lieben ihr MTZ genau so, wie es ist. Dabei wirkt es auf die Menschen weniger wie ein klassisches Shoppingcenter, sondern eher wie eine kompakte City mit gewachsenen Strukturen. Die Kunden mögen die lebendigen Einkaufsstraßen, wo der Bodenbelag vielleicht noch aus den Siebzigern stammt, an der nächsten Ecke aber eine moderne Fassade aus 2010 zu erkennen ist. Deshalb müssen wir bei Modernisierungen sensibel vorgehen, um dieses Flair zu erhalten.

Vor 25 Jahren kamen acht Prozent der Besucher des MTZ täglich, 38 Prozent ein- oder mehrmals pro Woche und 21 Prozent mindestens vierzehntägig in die Einkaufsstadt auf der grünen Wiese. Inwieweit haben sich diese Zahlen inzwischen verändert?
Borutta: Inzwischen sind rund 60 Prozent unserer Besucher Stammkunden, die mindestens alle zwei Wochen zu uns kommen. Das ist ein extrem hoher Wert, normalerweise liegt der Stammkundenanteil bei Einkaufszentren auf der grünen Wiese bei 40 bis 50 Prozent. Aber da wir in der Region die Ersten auf dem Markt waren, hat sich über Generationen hinweg eine starke Verbundenheit der Kunden mit ihrem MTZ entwickelt, die sich auch in solchen Zahlen ausdrückt. Umfragen ergaben zudem, dass 98 Prozent der Menschen in FrankfurtRheinMain das Main-Taunus-Zentrum kennen. Das zeigt uns, wie tief das MTZ in der Region verwurzelt ist.

Parkplätze sind für den Einzelhandel immer ein wichtiges Thema. Das MTZ verfügt über 4 500 Parkplätze, umgerechnet ist das ein Stellplatz pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche. Reicht diese Kapazität aus?
Borutta: In normalen Zeiten und auch an stark besuchten Tagen kommen wir gut mit den vorhandenen Parkplätzen aus. Meistens verzeichnen wir kontinuierliche Ein- und Ausfahrtzahlen, da verkraften wir täglich und ganz ohne Staus über 20 000 Pkws. Manchmal sind die Kapazitäten allerdings auch in kurzer Zeit ausgeschöpft, wie an den Samstagen vor Weihnachten.

Parken ist im MTZ kostenlos. Ist das für Kunden ein Argument, ins Main-Taunus-Zentrum zu fahren und nicht die Innenstädte von Frankfurt oder Wiesbaden anzusteuern?
Borutta: Kostenloses Parken ist ein Wettbewerbsvorteil. Insgesamt ist die Verweildauer in Shoppingcentern in den vergangenen Jahren gestiegen. Bei uns liegt sie derzeit bei zweieinhalb Stunden, das ist ein hoher Wert. Zum Vergleich: In Innenstädten liegt die Verweildauer bei anderthalb Stunden. Vermutlich bleiben die Kunden gerne etwas länger bei uns, weil im Hintergrund keine teure Parkuhr tickt.

Als größter Feind des stationären Einzelhandels gilt der Onlinehandel. Bereitet Ihnen diese Entwicklung auch Sorgen?
Borutta: Wir dürfen nicht ignorieren, dass der Onlinehandel an Bedeutung gewonnen hat. Gleichwohl hat der Offlinehandel ebenfalls gute Zukunftschancen, wenn wir den Kunden das bieten, was Onlineshopping ihm nicht bieten kann - nämlich eine ganz klare Fokussierung auf Attraktivität, Atmosphäre und Aufenthaltsqualität. Auch in Zeiten des Onlineshoppings lieben Kunden es immer noch, in echt einkaufen zu gehen. Im Moment zeichnet sich der Trend ab, das Kunden zunehmend online bestellen und die Ware offline im Laden abholen. Das hilft dem stationären Einzelhandel, sofern er sich rechtzeitig darauf einstellt.

Was kann der stationäre Einzelhändler vom Onlinehandel lernen?
Borutta: Entscheidend ist es, potenziellen Kunden maßgeschneiderte Informationen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Daher haben wir eine kostenlose App für Smartphones entwickelt. Die MTZ-Besucher erhalten hierdurch auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Angebote unserer Mietpartner sowie Infos zu Rabatt-Aktionen, Veranstaltungen, News und Service-Angeboten im Center. Mit der App erhält der Kunde nur Angebote von Sortimenten, die ihn speziell interessieren. Geofencing sorgt dafür, dass die Infos nur dann aktiv auf dem Smartphone erscheinen, wenn der Kunde sich dem Center nähert.

Einkaufen ist im Idealfall auch ein Erlebnis für den Kunden. Schon vor 50 Jahren hat das MTZ dabei auf Entertainment gesetzt, um Besucher anzulocken. Welche Rolle spielt der Unterhaltungsfaktor in heutiger Zeit?
Borutta: In den Sechzigern war es für die Menschen ein Highlight, wenn sie bei ihrem Einkauf im MTZ einer echten Weinkönigin begegneten oder eine Blasmusikkapelle spielte. Solche Events würden heutzutage keine Massen mehr anziehen. Die Welt hat sich inzwischen verändert. Und die Menschen haben viel von dieser Welt gesehen, dadurch sind sie anspruchsvoller geworden. Dieser Erwartungshaltung müssen wir unsere Events anpassen. Man muss den Kunden heutzutage das Besondere und eine hohe Qualität bieten, um richtig punkten zu können und sich von den anderen abzuheben. Das gilt übrigens im Einzelhandel generell: Wer dem Kunden nur Mittelmaß bietet, der verliert.


Interview
Hanns-Peter Laux
Stellvertretender Geschäftsführer, Standortpolitik
IHK Frankfurt am Main

Petra Menke
Chefredakteurin
IHK Frankfurt am Main
IHK WirtschaftsForum
August 2014