DIHK-Nachfolgereport 2024

Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer hierzulande finden keine geeignete Nachfolge. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in ihrem aktuellen Report Unternehmensnachfolge, dem mehr als 48.000 Beratungsgespräche in den Industrie- und Handelskammern (IHKs) zugrunde liegen.
Wegen des scheiternden Generationswechsels ist es der Umfrage zufolge derzeit für 28 Prozent der Senior-Chefs und -Chefinnen eine Option, die Türen für immer zu schließen. Im Vorjahr waren es 25 Prozent. Hochgerechnet stehen deswegen in den nächsten fünf Jahren mehr als eine Viertelmillion Unternehmen vor dem Aus.
"Die Rückmeldungen aus den Unternehmen bereiten mir große Sorgen", kommentiert DIHK-Präsident Peter Adrian die Ergebnisse. "Viele Unternehmerinnen und Unternehmer fühlen sich von der Politik nicht richtig ernst genommen und empfinden die zunehmenden Detailregelungen und kleinteiligen Pflichten als bürokratisch und oftmals als vollständig unverhältnismäßig. Sie wollen etwas schaffen und innovativ sein. Stattdessen sollen sie Daten sammeln und Formulare bearbeiten, abschicken und abheften."
Angesichts weiterer Hürden – dazu zählen hohe Kosten etwa für Energie, inflationsbedingte Kaufzurückhaltung, fehlende Fachkräfte und eine stark gewachsene Unsicherheit über den Kurs der Wirtschaftspolitik – resümiert Adrian: "Die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland verschlechtern sich. Unternehmertum wird leider immer unattraktiver, was ich als überzeugter Unternehmer sehr bedaure."
Immerhin sehen die IHKs nach der schwierigen Corona-Zeit wieder vermehrt Nachfragen in den Dienstleistungsbranchen. Zudem zahlt sich der Umfrage zufolge das intensive Engagement der IHKs aus: Mancherorts können sie dadurch mehr Interessenten für die Unternehmensnachfolge gewinnen.
Alarmierende Einbußen beim Übernahmeinteresse
Allerdings ist der Rückgang gegenüber der Vorkrisenzeit weiter frappierend. Im Vergleich zum Jahr 2019 meldeten sich 36 Prozent weniger Interessenten, die einen Betrieb übernehmen wollten. Dass die Corona-Einbußen zwischenzeitlich nicht wieder aufgeholt werden konnten, bewertet die DIHK als Alarmsignal. Vielfältige Unsicherheiten führen nach den Erfahrungen der IHKs weiterhin zu einer abwartenden Haltung bei Investitionen und beim unternehmerischen Engagement.
Gleichzeitig haben sich noch nie so viele Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer zur Unternehmensnachfolge beraten lassen wie im vergangenen Jahr. Die Zahl der Beratungen stieg 2023 auf 8.276 – das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von fast einem Viertel (22 Prozent). Im selben Zeitraum meldeten sich 2.760 Übernahmeinteressierte bei den IHKs. Die Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer, die eine Nachfolgelösung suchen, ist also dreimal so hoch wie die Zahl der Interessenten. Sehr herausfordernd ist die Situation im Gastgewerbe, im Handel und in der Verkehrsbranche.
Mittelständische Zulieferstrukturen in Gefahr
Diese Entwicklungen könnten deutliche Auswirkungen auf die Struktur des deutschen Mittelstands haben. Wenn etwa in der Industrie mittelständische Unternehmen vom Markt verschwinden und auch ihr Know-how nicht mehr verfügbar ist, dann kann das zu Brüchen in der gesamten Zulieferstruktur führen. "Wir müssen dringend umsteuern und den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern – egal, ob bei Nachfolge oder Gründung. Engagierte, junge Menschen müssen das Gefühl haben, ihnen wird der Weg als Unternehmerin und Unternehmer erleichtert und nicht mit Hürden erschwert", so Adrian. Die Politik sei gefordert, die Perspektiven zu verbessern.
Prozesse verschlanken und digitalisieren
Nach Auffassung der DIHK gilt es, ganz konkrete Hindernisse für den Übergang zu beseitigen. So sollten Genehmigungen für einen Betrieb auch nach dem Wechsel in der Eigentumsstruktur und der Geschäftsführung fortgelten. Die mit den Unternehmensnachfolgen verbundenen Verwaltungsprozesse müssen verschlankt und digitalisiert werden. Künftig sollten die Beteiligten einen beabsichtigten Betriebsübergang nur noch bei einer einzigen staatlichen Stelle anzeigen müssen.
Auch für die Weiternutzung von Kunden- und Lieferantendaten bedarf es einer praktikablen Lösung. Nachfolgerinnen und Nachfolgern sollen möglichst reibungsfrei das Geschäft mit Kunden und Geschäftspartnern fortführen können – was die Partner zu fast 100 Prozent auch wollen.
Sie finden die kompletten Umfrageergebnisse hier zum Download.