Verkehrliche Umgestaltung des Grüneburgwegs belastet Anlieger-Geschäfte
21. Juli 2023
Die verkehrliche Umgestaltung des Grüneburgwegs befindet sich zur Zeit in der Umsetzung. Die damit verbundenen Straßensperren für den Kfz-Verkehr werden durch die Stadt Frankfurt vorbereitet oder sind zum Teil schon eingeführt. Zudem finden im Grüneburgweg aktuell auf Höhe der Leerbachstraße Bauarbeiten zur Verlegung einer Fernwärmeleitung statt, die bis Anfang August eine Vollsperrung der Straße notwendig machen. Diese Veränderungen an der Verkehrsführung sind in ihren Auswirkungen für die ansässigen Gewerbetreibenden bereits spürbar.
Ulrich Caspar, Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, äußert sich im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Interessengemeinschaft Grüneburgweg besorgt zu den Planungen der Stadt Frankfurt: „Die einmalige Mischung von Händlern, Gastronomen und Handwerksbetrieben macht den Grüneburgweg zu einer lebendigen und lebenswerten Einkaufsstraße. Diese ist auch durch ihre gute Erreichbarkeit entstanden, weil Kunden über die Grenzen des Stadtteils hinaus hier zum Einkaufen und Essen herkommen. Eine Sperrung der Straße für den Durchgangsverkehr mit der einhergehenden Wegnahme von Parkplätzen ist daher aus unserer Sicht eine vorhersehbare Verschlechterung für die ansässigen Händler.“ Es sei besser, mit Angeboten wie Park+Ride-Standorten und Ladesäulen zu einer nachhaltigen Mobilität zu gelangen, als durch Verbote unsere lokale Wirtschaft zu schwächen, so der IHK-Präsident „Leider erleben wir erneut am Beispiel des Grüneburgwegs, dass die Gewerbetreibenden bei den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen des öffentlichen Raumes nicht berücksichtigt werden“, führt Caspar aus. „Hier wird einmal wieder seitens der Politik verkannt, dass die Verkehrsinfrastruktur maßgeblich für die wirtschaftliche Prosperität der Stadt beiträgt, weil Betriebe für Händler, Kunden und Pendler erreichbar bleiben müssen. Wir als IHK Frankfurt am Main appellieren deutlich an die Politik, die bisherige Verkehrs- und Infrastrukturpolitik auch an den Bedürfnissen der Gewerbesteuersteuerzahler auszurichten.“
„Dass man aus der Feldbergstraße nicht mehr in den Grüneburgweg einbiegen darf, merken wir am Umsatz. Denn es ist die Zufahrt für das südliche Westend, Bockenheim und das Diplomatenviertel. Meine Erreichbarkeit ist erheblich erschwert, das schreckt Kunden ab. Wenn sie mich dennoch erreichen, finden sie keinen Parkplatz, denn diese sind zu Fahrradparkplätzen umgewidmet worden. Ich selber muss auch große Umwege fahren und Zeit dafür einplanen, wenn ich Kunden beliefere, diese Zeit fehlt mir im Laden. Auch Fahrradkunden sind uns natürlich herzlich willkommen, gleichen aber die Großabnehmer, die mit dem Auto kommen, nicht aus“, beschreibt Andreas Dresch, Inhaber des Weinladens und -bar Westlage sowie Vorsitzender der Interessengemeinschaft Grüneburgweg, die Auswirkungen der Verkehrspolitik auf sein Unternehmen. Ihn belasten die Vorgaben der Stadt: „Mich ärgert es, dass die Anlieger von der Stadt überhaupt nicht eingebunden und zudem mit Bürokratie überschwemmt werden. Will ich zum Beispiel den neuen ‚Multifunktionsstreifen‘ nutzen und Tische aufstellen, um von der neuen Verkehrssituation wenigstens ein wenig zu profitieren, schränkt sich automatisch der Anteil des Bürgersteigs, den ich nutzen darf, ein. Ferner muss ich den Multifunktionsstreifen ganzjährig gastromisch bespielen, so sieht es die Stadt Frankfurt in ihren Auflagen vor, obwohl das von Oktober bis März unternehmerisch aufgrund der Witterung keinen Sinn macht, für mich aber Kosten verursacht.“ Insgesamt gäbe es für die Neugestaltung des Multifunktionsstreifens kein Konzept, keine Beratung, keine Arbeitsgruppe, oder finanzielle Unterstützung für die Unternehmer, die jetzt vor Investitionen stünden, so Dresch.
„Wir kaufen jeden Tag etwa einen Sprinter voll Waren an, die angeliefert und ausgeräumt werden. Außerdem beliefern wir diverse Gastronomien in Frankfurt. Die Prozesse dauern im Augenblick zwei Stunden länger. Dazu kommt, dass unsere Kunden aus den umliegenden Landkreisen und aus Offenbach Schwierigkeiten haben, uns zu erreichen, Insbesondere Kunden, die in der Innenstadt arbeiten oder die ihre Kinder in Frankfurt in die Schule oder Vereine bringen, kommen normalerweise auf dem Rückweg nach Hause mit dem Auto vorbei, jetzt brechen sie uns weg. Und wenn Kunden sich erst mal Alternativen gesucht haben, kommen sie nicht zurück“, erklärt Can Mahmut Badan, Sohn des Inhabers von Badans Frischemarkt, einem Obst- und Gemüsefeinkostladen im Grüneburgweg sowie zweiter Sprecher der Interessengemeinschaft Grüneburgweg, seine Situation. „Kommt jetzt bald auch noch die dauerhafte Sperrung, dann muss ich darüber nachdenken, ein alternatives Geschäftsmodell anzugehen. Doch manche Ideen scheitern schon am Fachkräftemangel. Man überfordert die Unternehmer, insbesondere die kleinen Familienunternehmer, damit, wenn man zu viele Baustellen auf einmal aufmacht: Straßensperren, Fachkräftemangel und steigende Preise zusammengenommen gefährden die Qualität des Produkts und mit die Existenz inhabergeführter Unternehmen“,
„Aufgrund der Poller und der fehlenden Ladezonen ziehen sich Be- und Entladevorgänge, die ich früher in 10 Minuten erledigt habe, jetzt über eine halbe Stunde, während solange die Kunden im Laden auf mich warten“, erklärt Georg Hanstein, Inhaber des Weinhauses Grüneburgweg. „Auch aus der Perspektive des Umweltschutzes sowie zur Einhaltung von CO2-Einsparungszielen – und der Feinstaubreduzierung – machen die hier umgesetzten Maßnahmen keinen Sinn, sondern führen im Gegenteil zu einer höheren Belastung. Der Grund: Sowohl unsere Kunden als auch wir Gewerbetreibenden werden seitdem gezwungen, Umwege zu fahren. Hinzu kommt, dass wir Unternehmen jedes Mal längere Strecken zurücklegen müssen, zumal die Zahl der Kunden, die wegen des Durchfahrts- und Einfahrtsverbots sowie der fehlenden Parkplätze von uns beliefern werden müssen, steigt. Das stellt schließlich eine Lose-Lose-Situation für alle Betroffene (Umwelt, Bürger und Wirtschaft) dar. Als Folge davon können Alle nur verlieren.“
Thommy Stöber, Inhaber des gleichnamigen Frisörbetriebs, bedauert: „Was ich vor allem kritisiere, ist dass die betroffenen Menschen zum Umbau der Straße nicht befragt wurden, wie man dies eventuell zusammen gut regeln kann. Wir Gewerbetreibenden hätten vorher eine Bedarfsermittlung gemacht. Das hat gefehlt. Anstatt dessen wurde an der Realität vorbeigeplant. Die Straßensperrung und die weiteren Maßnahmen haben sich nicht – wie erhofft – in eine deutliche Zunahme des Radverkehrs niedergeschlagen. Ganz im Gegenteil stelle ich jeden Tag fest, dass hier wenig Fahrräder fahren und keine E-Roller abgestellt worden. Wozu dann die Diagonalsperre vor meiner Tür? Sie hat nur dazu beigetragen, dass der Parksuchverkehr deutlich zugenommen hat.“