Wirksamkeit eines GmbH-Gesellschafterbeschlusses trotz entgegenstehender Stimmbindungsvereinbarung

Mit Urteil vom 16.07.2024 – II ZR 71/23 entschied der BGH die Frage, ob Gesellschafterbeschlüsse, die entgegen der satzungsmäßigen Kompetenzverteilung und unter Verletzung eines Stimmbindungsvertrages ergehen, gem. § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig sind. Der BGH verneinte dies und nahm lediglich die Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse an.

Im vorliegenden Sachverhalt beschloss die Gesellschafterversammlung der Hannover 96 Management GmbH (im Folgenden: GmbH) die Abberufung des Geschäftsführers „im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses“ mit sofortiger Wirkung. Nach der GmbH-Satzung lag die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers jedoch nicht bei der Gesellschafterversammlung, sondern bei einem fakultativen Aufsichtsrat. Zudem war die alleinige Gesellschafterin im Rahmen eines Stimmbindungsvertrages dazu verpflichtet, die Satzung nur mit Zustimmung einer Drittgesellschaft zu ändern.
Nach Klageerhebung durch den Geschäftsführer erachteten die Vorinstanzen den Abberufungsbeschluss gem. § 241 Nr. 3 AktG analog für nichtig. Der BGH hob die Entscheidungen auf und wies die Klage ab.
Nach Ansicht des BGH liegen die Voraussetzungen des § 241 Nr. 3 AktG nicht vor, da der Abberufungsbeschluss nicht mit dem Wesen der GmbH unvereinbar sei. Eine solche Unvereinbarkeit liege nur dann vor, wenn der Beschluss tragende Strukturprinzipien des GmbH-Rechts verletzen würde. Das Wesen der GmbH ergebe sich insbesondere aus dem GmbHG und abstrakt-generellen Strukturprinzipien wie dem der Satzungsautonomie, nicht jedoch aus den konkret-individuell gestalteten Satzungsregelungen der betroffenen GmbH. Demnach sei eine Satzungsregelung, nach der nicht die Gesellschafterversammlung, sondern ein fakultativer Aufsichtsrat die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers habe, kein tragendes Strukturprinzip einer GmbH, da diese Kompetenz gerade der Gesellschafterversammlung vorbehalten ist.
Auch ein Stimmbindungsvertrag stellt kein tragendes Strukturprinzip einer GmbH dar, sodass eine Verletzung dieses schuldrechtlichen Vertrages nicht zur Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses führen kann.
Zudem verneinte der BGH die Sittenwidrigkeit des vorsätzlich „satzungsdurchbrechenden“ Abberufungsbeschlusses.
Im Ergebnis sei der Abberufungsbeschluss anfechtbar, aber nicht nach § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig.
Das vollständige Urteil kann hier eingesehen werden.