Schiedsgutachten


Ziel und Aufgabe eines Schiedsgutachtens


1. Ziel des Schiedsgutachtens ist es, Meinungsverschiedenheiten von Vertragsparteien über den Inhalt, die Auslegung oder die Anpassung eines Vertrages durch einen unabhängigen, unparteiischen und fachlich kompetenten Sachverständigen verbindlich klären zu lassen. Der Gang zum Gericht soll dadurch vermieden werden, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

2. Aufgabe des Schiedsgutachters ist es, im Rahmen eines Rechtsverhältnisse für die Vertragsparteien zweifelhafte oder umstrittene Punkte zu klären. Gegenstand kann dabei im Grundsatz alles sein, was sich durch Sachverständige begutachten lässt und nicht gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt.


Beispiele für gutachterliche Tätigkeiten:

Tatsachengutachten:
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, tatsächliche Zustände und Eigenschaften von Anlagen, Einrichtungen, Warenlieferungen oder Werkleistungen zu untersuchen und zu beurteilen, Abrechnungsdifferenzen aufzuklären sowie Geschehensabläufe zu rekonstruieren, Ursachenzusammenhänge zu analysieren und das Ausmaß von Schäden festzustellen.
Wert- oder Schätzgutachten:
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den angemessenen Kauf- oder Marktpreis einer Ware, den Verkehrs- oder Beleihungswert eines Grundstücks oder den Wert einer Arztpraxis oder eines Unternehmens festzustellen.
Anpassungsgutachten:
Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den Erbbauzins, die vereinbarte Miete oder eine andere wiederkehrende Leistung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses anhand eines vertraglich vorgegebenen bestimmten oder bestimmbaren Maßstabs den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.


Werden sich Vertragsparteien über Unstimmigkeiten wie z.B. Sachmängel bei Kauf- oder Werkvertrag; Feststellung von Bauschäden anlässlich der Bauabnahme etc. nicht einig, und um den zeit- und kostenaufwendigen Gang vor Gericht zu vermeiden, können die Parteien die Einschaltung einer fachkundigen und neutralen Person (regelmäßig ein öffentlich bestellter Sachverständiger) vereinbaren, der den umstrittenen Sachverhalt für beide Vertragspartner verbindlich feststellt.

Eine solche Vereinbarung für den Fall des Streits bezeichnet man als Schiedsgutachtenvereinbarung. Durch die Schiedsgutachtenvereinbarung verpflichten sich die beiden Vertragspartner, bestimmte Zweifels- und Streitfragen nicht vor die staatlichen Zivilgerichte zu bringen, sondern ihre
Klärung einem Schiedsgutachter anzuvertrauen. Eine solche Schiedsgutachtenvereinbarung kann auch im Rahmen eines bereits anhängigen Gerichtsverfahrens in Form eines gerichtlichen Vergleichs getroffen werden.

weitere Informationen: "Sachverständige als Schiedsgutachter"
- Leistungsbestimmung durch Dritte; Erläuterungen; Checklisten; Vertragsmuster, Verfahrensregeln - Autor: RA Dr. Peter Bleutge, RA Volker Schlehe
Schriftenreihe Band 12; 6. Auflage 2023; ISBN: 978-3-928528-03-0
Herausgeber: Institut für Sachverständigenwesen e. V., Hohenstaufenring 48-54, 50674 Köln


Benennung eines Schiedsgutachters
Wenn Sie einen Antrag auf Benennung eines Schiedsgutachters durch die IHK, die nach dem Wortlaut der Schiedsgutachtenabrede den Schiedsgutachter auswählen und benennen soll, einreichen möchten, bitten wir Sie der IHK folgende Unterlagen einzureichen:


Antragsschreiben:
  • Sachverhalt kurz schildern; was genau ist zu begutachten
  • ladungsfähige Anschriften der Vertragsparteien

Auszug aus betreffenden Vertrag in Kopie
  • Deck-/Titelseite (wegen Rubrum/Vertragsparteien)
  • Schiedsgutachterklausel (u. a. wegen vereinbartem Gutachtenauftrag und -umfang)
  • letzte Seite d. Vertrags mit den Vertragsunterschriften der Parteien (zur Dokumentation des Vertragsabschlusses)

Ablauf

Sobald das Antragsschreiben der IHK vorliegt, wird ein sachlich geeigneter Sachverständiger ermittelt. Durch Befragung des Sachverständigen durch die IHK wird u.a. sichergestellt, dass keine Besorgnis der Befangenheit besteht und der Sachverständige auch zur Gutachtenerstellung aus seiner Sicht bereit ist.

Beide Parteien werden angeschrieben, wobei die IHK zunächst diesen Sachverständigen unter Nennung von Namen, Anschrift, Kommunikationsdaten und Sachgebietsnennung vorschlägt. Eine grundsätzlich 14-tägige Frist wird in diesem Schreiben eingeräumt, um ggf. gegen den namhaft gemachten Sachverständigen Einwände zu erheben, z.B. aus Gründen der Befangenheit.
Hinweis:
Eine vorzeitige Benennung ist möglich, wenn uns beide Parteien schriftlich mitteilen -auch per Fax oder E-Mail möglich- keine Einwände gegen die Benennung des genannten Sachverständigen zu erheben.
Nach Ablauf der genannten Frist und falls keine Einwände vorgetragen werden, erhalten beide Parteien eine Nachricht mit dem Inhalt, dass der zuvor namhafte gemachte Sachverständige als Schiedsgutachter benannt wird. Sollten dagegen Einwände vorgebracht werden gegen diesen Sachverständigen, dann erfolgt eine Prüfung dieser Einwände durch die IHK. Über die Gültigkeit oder das Vorliegen der Voraussetzungen der Schiedsgutachterklausel des Vertrags entscheidet nicht die IHK; die Benennung erfolgt auf Antrag und Gefahr der betreibenden Partei.

Der als Schiedsgutachter benannte Sachverständige wird ebenfalls angeschrieben und erhält das Antragsschreiben mit Anlagen in Kopie.


Was kostet ein Schiedsgutachten?

Da es keine staatliche Gebührenordnung für die Tätigkeit des Schiedsgutachters (Sachverständigen) gibt, findet auch das ZSEG (Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen) keine Anwendung. Gibt es jedoch für den privaten Gutachtenbereich Bestimmungen in anderen staatlichen Gebührenordnungen (z.B. § 34 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure- HOAI), müssen diese auch bei Erstellung eines Schiedsgutachtens angewendet werden.

Wegen des weiteren Fortgangs des Verfahrens, insbesondere wegen der Honorarvereinbarung, des Termins usw. haben sich die Parteien unmittelbar mit dem Schiedsgutachter in Verbindung zu setzen.


Hinweis:
Für die förmliche Benennung eines Schiedsgutachters erhebt die IHK Frankfurt am Main ein Entgelt in Höhe von EUR 60,00 bzw. EUR 120,00 für die förmliche Präsidentenbenennung.
Die Schiedsgutachterabrede ist eine vertragliche Vereinbarung.
Ist aus Ihrem Vertrag keine Schiedsgutachterabrede bzw. -klausel zu entnehmen, empfiehlt sich eine schriftliche Schiedsgutachterabrede
einvernehmlich zwischen den Parteien auszuhandeln und durch Unterschriften zu bestätigen.

Beispiel zur Formulierung einer Schiedsgutachtenabrede

1. Entstehen bei der Durchführung dieses Vertrages Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten über tatsächliche Umstände oder ändern sich die dem Vertrag zu Grunde gelegten Sachverhalte in wesentlichen tatsächlichen Punkten, so soll gem. §§ 317 ff. BGB ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten zur Entscheidung des streitigen Sachverhalts eingeholt werden.
Anmerkung:
Nach Möglichkeit sollten der tatsächliche Umstand (z. B. Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse) und der Gutachtenauftrag (z. B. Neufestsetzung der Miete oder Pacht) sowie der Rahmen der Neufestsetzung (z. B. anhand der Punktzahl für die Kosten eines Vier-Personen-Haushalts) konkret angegeben werden.

2. Als Schiedsgutachter soll auf Antrag einer Partei oder beider Parteien von IHK Frankfurt am Main ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger benannt und sodann von den Parteien beauftragt werden. Im Falle der Verhinderung oder des Vorliegens von Ablehnungsgründen wegen Besorgnis der Befangenheit soll von der IHK ein Ersatzsachverständiger benannt werden.
Anmerkung:
Bei Weigerung zur Beauftragung des Schiedsgutachters durch eine Partei kann die andere Partei auch auf Zustimmung zur Beauftragung klagen.

3. Die Kosten für das Schiedsgutachten tragen die Parteien je zur Hälfte.

weitere Beispiele:
"Sachverständige als Schiedsgutachter"
- Leistungsbestimmung durch Dritte; Erläuterungen; Checklisten; Vertragsmuster, Verfahrensregeln - Autor: RA Dr. Peter Bleutge
Schriftenreihe Band 12; 6. Auflage 2023; ISBN: 978-3-928528-03-0
Herausgeber: Institut für Sachverständigenwesen e. V.,
Hohenstaufenring 84-54, 50674 Köln