Kartellrecht

Nicht nur Großunternehmen - auch mittelständische Unternehmen sind vom Kartellrecht betroffen! Das Kartellrecht verbietet z.B. Preisabsprachen, Marktaufteilungen, Mengenabsprachen oder Missbrauch marktbeherrschender Stellungen privater Unternehmen.

In Deutschland tätige Unternehmer müssen das deutsche Kartellrecht und auch das EU-Kartellrecht beachten. Das EU-Kartellrecht wird von der Europäischen Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten durchgesetzt. Der deutsche Gesetzgeber hat das deutsche Kartellrecht, das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt ist, durch die 7. GWB-Novelle weitgehend an die Regelungen des EU-Kartellrechts angeglichen. Für Unternehmen vorrangig entscheidend sind insofern das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1 GWB; Art. 101 AEUV, ex-Art. 81 EG) und das Missbrauchsverbot (§§ 19 ff. GWB; Art. 102 AEUV, ex-Art. 82 EG).

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen werden immer dann nach europäischem Recht (Art. 101 AEUV, ex-Art. 81 EG) beurteilt, wenn sie geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der EU zu beeinträchtigen (z. B. Forschungskooperationen zwischen Unternehmen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten). An diese Eignung zur Handelsbeeinträchtigung werden nur geringe Anforderungen gestellt, d. h. die Schwelle zur europäischen Relevanz ist schnell überschritten.

Vor allem das Verfahren vor den Kartellbehörden erfuhr im Jahr 2005 einschneidende Neuerungen. Bisher mussten Unternehmen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen bei den Kartellbehörden anmelden und genehmigen lassen. Heute ist es die Pflicht der Unternehmen, selbst zu prüfen, ob ihr Verhalten mit dem Kartellrecht vereinbar ist. Für Unternehmen ist es allerdings oft nicht leicht, die Grenzen kartellrechtlich zulässigen Verhaltens richtig zu erkennen. Verantwortliche in Unternehmen müssen ein sicheres Gespür dafür entwickeln, welche Verhaltensweisen, Absprachen und Beschlüsse kartellrechtlich zulässig, welche bedenklich und welche verboten sind. Ob eine Absprache ein verbotenes Kartell oder eine zulässige Kooperation ist, hängt oft ausschlaggebend vom Marktanteil der beteiligten Unternehmen ab. Auch im Rahmen des Missbrauchsverbots, d.h. ob das Verhalten eines Unternehmens unzulässig ist, weil es ein anderes Unternehmen behindert oder diskriminiert, ist die Marktbeherrschung ausschlaggebender Anknüpfungspunkt im Kartellrecht. Da den Unternehmen fortan eine große Eigenverantwortung in diesem Bereich zukommt, sind Grundkenntnisse im Kartellrecht wichtig.

Wettbewerbsverstöße (Kartellverstöße) können erhebliche Risiken nach sich ziehen. Hierzu zählen die Nichtigkeit der Vereinbarungen, Bußgelder, Vorteilsabschöpfung und strafrechtliche Sanktionen. Auch private Schadensersatzforderungen und der Imageschaden für das kartellrechtswidrig handelnde Unternehmen sind zu berücksichtigen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) hat einen Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre) veröffentlicht, der in den aktuellen Stand des Kartellrechts einführt. Dieser Leitfaden richtet sich an die Geschäftsführer von Unternehmen, an Vertriebs- und Einkaufsleiter und gibt auch Unternehmensjuristen, die nicht im Kartellrecht spezialisiert sind, einen ersten Überblick über die wesentlichen Grundlagen dieses wichtigen Rechtsgebiets.
In einem ersten Teil informiert dieser Leitfaden über die wesentlichen Grundzüge des Stands des Kartellrechts in Deutschland und Europa. Dazu gehören Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern und zwischen Lieferanten und Kunden sowie Fragen des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen, einschließlich möglicher Sanktionen bei Verstößen. In einem zweiten Teil werden die Befugnisse der Kartellbehörden und in einem dritten Teil Ermittlungsverfahren dargestellt. Im vierten Teil gibt der Leitfaden Hinweise, wie Geschäftsleitungen dem Vorwurf vorbeugen können, sie hätten fahrlässig Verstöße gegen das Kartellrecht in ihrem Unternehmen nicht verhindert.

Wir können und wollen hier auf dieser Internetseite lediglich in das Thema einführen. Wir haben deshalb mit freundlicher Genehmigung des BDI nur das wichtigste aus dem Leitfaden und insbesondere wichtige Beispielfälle wiedergegeben, um Sie für Ihre Entscheidungen zu sensibilisieren, damit Sie kartellrechtliche Probleme erkennen und entsprechend reagieren können.
Für weitere Einzelheiten sollten Sie sich den Leitfaden des BDI herunterladen oder als gedruckte Broschüre beim BDI bestellen.

Weitere Informationen und Unterstützung für Unternehmen in kartellrechtlichen Fragen bietet auch das Bundeskartellamt.
Wenn - auch nur entfernt liegend - die Möglichkeit erkennbar wird, dass kartellrechtliche Regelungen betroffen sind, sollten Sie unbedingt einen spezialisierten Rechtsanwalt konsultieren, um erhebliche Nachteile zu vermeiden.

I. Das Kartellverbot


VERBOTEN sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
Dieses Kartellverbot gilt absolut für alle Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die Preis-, Quoten-, Kunden- oder Gebietsabsprachen betreffen, und für Vereinbarungen mit Abnehmern, die eine Preisbindung der Zweiten Hand zum Gegenstand haben (sog. Hardcore-Vereinbarungen).
Andere den Wettbewerb beschränkende Vereinbarungen können im Einzelfall wegen mangelnder Spürbarkeit von dem Kartellverbot ausgenommen sein, da das Kartellverbot nicht jede unbedeutende Bagatellbeschränkung erfassen soll.
Unter bestimmten Voraussetzungen werden auch an sich spürbare Wettbewerbsbeschränkungen vom Kartellverbot ausgenommen (gesetzliche Freistellung vom Kartellverbot).
Im Einzelnen siehe hierzu: Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 9 ff


Beispiele für Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Wettbewerbern (siehe auch Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre) Seite 9 ff):


Preisabsprachen
Verboten sind alle Absprachen, Preise zwischen Wettbewerbern festzulegen oder zu stabilisieren. Dazu zählen z. B. Absprachen über Höchst- und Mindestpreise, Rabatte, den Zeitpunkt von Preisänderungen sowie über preisbegleitende Maßnahmen wie z. B. Zahlungsbedingungen, Kreditziele, Verzugszinsen und Umfang von Garantien.
Eine Freistellung kommt wegen der Schwere der Wettbewerbsbeschränkung regelmäßig nicht in Betracht.
Beispiel: Wettbewerber A und Wettbewerber B vereinbaren, dass sie künftig ihre Produkte nicht unter einem bestimmten Mindestpreis anbieten werden. Dieses Verhalten ist kartellrechtlich unzulässig.

Konditionenabsprachen
Kartellrechtlich bedenklich sind auch Absprachen über nicht auf den Preis bezogene Konditionen, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen ein- oder verkaufen.
Beispiel: Mehrere Wettbewerber vereinbaren, ihr Gesamtsortiment in gemeinsam festgelegte Preis- und Güteklassen einzuteilen. Dies ist kartellrechtlich zwar nicht unproblematisch, kann im Einzelfall jedoch vom Kartellverbot freigestellt sein.

Marktaufteilung (Gebiete, Kunden, Quoten)
Teilen Wettbewerber Märkte untereinander auf, indem sie sich Gebiete oder Kunden zuweisen, oder indem sie bestimmte (Absatz-)Quoten festlegen, so ist dies als eine Hardcore-Vereinbarung grundsätzlich nicht freistellungsfähig.
Beispiel: Zwei Baustoffhändler kommen überein, dass innerhalb eines bestimmten Gebietes Unternehmen A ausschließlich Kunden beliefern soll, die einen jährlichen Bedarf von mehr als 150 000 m3 Beton haben. Kunden mit einem darunter liegenden Jahresbedarf sollen ausschließlich von Unternehmen B versorgt werden. Diese Absprache ist kartellrechtlich unzulässig.
Zum vorstehenden sowie gemeinsamen Einkauf, gemeinsamer Vermarktung, Austausch von marktrelevanten Informationen siehe:
Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 11 ff


Beispiele für Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Lieferanten und Kunden (siehe auch Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 14 ff):


Wettbewerbsbeschränkungen, die in Liefer- und Bezugsverträgen zwischen Lieferant und Käufer geregelt sind, sind nicht nur nach den Regeln des GWB, sondern auch nach den Kriterien der europäischen Gruppenfreistellungsverordnung über Vertikalvereinbarungen zu beurteilen.

Preisbindungen der Zweiten Hand
Preisbindungen der Zweiten Hand sind ausnahmslos verboten. So darf beispielsweise der Lieferant seinem Händler nicht die den weiteren Abnehmern zu berechnenden Preise vorschreiben Der Händler muss selbst darüber entscheiden können, welche Preise er von seinen Kunden fordert.

Höchstpreisbindungen
Höchstpreisbindungen sind bis zu einem Marktanteil des Lieferanten und des Abnehmers von jeweils 30 % auf dem relevanten Markt grundsätzlich erlaubt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Lieferant zu ihrer Durchsetzung Druck ausübt oder Anreize (etwa in Form von Rabatten) gewährt und sich die Höchstpreise dadurch tatsächlich wie Fest- oder Mindestpreise auswirken.

Preisempfehlungen
Unverbindliche Preisempfehlungen sind bis zu einem Marktanteil des Lieferanten und des Abnehmers von jeweils 30 % ebenfalls grundsätzlich erlaubt. Etwas anderes gilt wiederum dann, wenn sich die Preisempfehlungen wegen der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eine der Vertragsparteien tatsächlich wie Fest- oder Mindestpreise auswirken. Unzulässiger Druck wäre z.B. die Drohung, die Belieferung einzustellen oder zu verzögern, wenn der empfohlene Preis nicht eingehalten wird. Ein anderes Beispiel ist die Androhung von Rabattkürzungen, die ebenfalls unzulässig ist.

Meistbegünstigungsklauseln
Wenn die Marktanteile des Lieferanten und des Abnehmers jeweils 30 % nicht übersteigen, sind auch sog. Meistbegünstigungsklauseln zulässig. Solche Klauseln verpflichten den Lieferanten, anderen Abnehmern keine günstigeren Einkaufsbedingungen einzuräumen als dem Vertragspartner der Meistbegünstigungsklausel; sie können auch für den Lieferanten die Verpflichtung begründen, dem Vertragspartner nachträglich die gleichen (günstigeren) Einkaufsbedingungen einzuräumen.

Bezugsbindungen und Wettbewerbsverbote
Verpflichtet sich ein Abnehmer, eine Ware oder Dienstleistung ausschließlich von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen, liegt auch darin eine Wettbewerbsbeschränkung, die grundsätzlich vom Kartellverbot erfasst wird. Teilweise wird dem Käufer auch die Verpflichtung auferlegt, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den vom Lieferanten bezogenen Waren oder Dienstleistungen im Wettbewerb stehen. Derartige Wettbewerbsverbote und Bezugsbindungen werden ebenfalls grundsätzlich vom Kartellverbot erfasst. Sie sind für die Dauer von bis zu fünf Jahren zulässig, wenn der Lieferant und der Abnehmer jeweils einen Marktanteil von höchstens 30 % innehaben.
Weitere Ausnahmen: Siehe Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 15 ff

Gebietsschutz / Exklusivität
Das Kartellrecht erlaubt unter gewissen Bedingungen die Einräumung eines Gebietsschutzes. Der Händler kann danach verpflichtet werden, nicht aktiv außerhalb seines Vertragsgebietes tätig zu sein (d. h. zu verkaufen, zu werben, eine Filiale zu gründen usw.).

Selektiver Vertrieb
In sog. selektiven Vertriebssystemen verpflichten sich Lieferant und Händler, die (vom Lieferanten zur Verfügung gestellten) Vertragswaren nur an Händler zu liefern, die bestimmte vom Lieferanten festgelegte Kriterien erfüllen.
Ergänzend siehe Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 16

Sonderfall: Handelsvertreter
Sofern ein Unternehmen für den Vertrieb seiner Produkte sog. echte Handelsvertreter einsetzt, sind in den Handelsvertreterverträgen die oben genannten Wettbewerbsbeschränkungen wie etwa die Festsetzung der Preise oder die Einräumung exklusiver Gebiete zulässig. Echte Handelsvertreter sind nach den Kriterien der EU-Kommission allerdings nur Unternehmen, die weder das Absatzrisiko für die Produkte des Lieferanten noch sonstige geschäftsspezifische Risiken und Investitionen (etwa in Absatzförderungsmaßnahmen oder in einen eigenen Kundendienst) übernehmen müssen.


II. Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

(siehe auch Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 16 ff)

Nach unserer Rechtsordnung dürfen Unternehmen natürlich das Ziel verfolgen, marktbeherrschend zu werden - aber nur mit legitimen Mitteln. Sie dürfen eine marktbeherrschende Stellung nur fair und nicht diskriminierend gebrauchen („Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen“).


1. Marktbeherrschende Stellung

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, das auf seinem Markt keinen wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder das eine überragende Marktstellung hat.
Marktbeherrschung richtet sich unter anderem nach dem Marktanteil des Unternehmens, nach seiner Finanzkraft oder nach seinem Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten. Anders als das europäische Recht vermutet der deutsche Gesetzgeber, dass ein Unternehmen den Markt beherrscht, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Bei Anwendung des europäischen Kartellrechts wird eine marktbeherrschende Stellung regelmäßig erst bei höheren Marktanteilen angenommen. Der deutsche Gesetzgeber bezieht darüber hinaus auch marktstarke Unternehmen in die Regeln des Missbrauchsverbots mit ein. Marktstark sind Unternehmen, die zwar den Markt nicht beherrschen, von denen aber andere Unternehmen abhängig sind. Abhängig sind Unternehmen nicht, wenn sie eine ausreichende oder zumutbare Ausweichmöglichkeit auf andere als das marktstarke Unternehmen haben.


2. Missbrauch

Ein marktbeherrschendes Unternehmen verhält sich kartellrechtswidrig, wenn es ein anderes Unternehmen diskriminiert, behindert oder seine Marktmacht missbraucht. Im Einzelfall kann es schwer sein, ein verbotenes Verhalten von einem zulässigen Verhalten zu unterscheiden. Insbesondere können scheinbar diskriminierende, behindernde oder missbräuchliche Verhaltensweisen sachlich gerechtfertigt sein. Marktbeherrschende Unternehmen sollten darauf achten, dass sie die unterschiedliche Behandlung anderer Unternehmen oder drastische Maßnahmen gegen Wettbewerber, Kunden oder Lieferanten sachlich begründen können. Dabei können Verhältnisse auf vergleichbaren Märkten berücksichtigt werden.

Beispiele missbräuchlichen Verhaltens:

Preisdiskriminierung
Während es allgemein durchaus üblich ist, einzelne Kunden beim Preis oder hinsichtlich einzelner Konditionen besser oder schlechter zu behandeln als andere, sind marktbeherrschende Unternehmen insofern enger gebunden. Sie müssen darauf achten, dass sie von einzelnen Unternehmen nicht ohne sachlichen Grund höhere Preise verlangen als von anderen. Ein sachlicher Grund für eine Preisdiskriminierung kann in Ersparnissen bei Produktion, Vertrieb und Logistik aufgrund einer höheren Abnahmemenge liegen.

Auslistung; Fordern unangemessener Konditionen
Grundsätzlich dürfen Unternehmen ihre Lieferanten frei wählen. Für marktbeherrschende Abnehmer von Waren oder Dienstleistungen gilt das aber nur mit gewissen Einschränkungen. Sie dürfen einzelne Lieferanten nicht ohne weiteres von der Abnahme ihrer Produkte oder Dienstleistungen ausschließen. In der Praxis ist das besonders wichtig für das Verhältnis des Handels zu seinen Lieferanten („Auslistung“). Zwar sind auch marktbeherrschende (Handels-)Unternehmen grundsätzlich frei, ihre Lieferanten zu wählen und mit ihnen günstige Konditionen auszuhandeln. Sie dürfen ihre Forderungen nach besonders günstigen Einkaufsbedingungen aber nicht mit unlauteren Mitteln durchsetzen, die einer Nötigung gleichkommen („Anzapfen“). So würde ein marktbeherrschendes Handelsunternehmen etwa seine Marktmacht missbrauchen, wenn es seine Lieferanten durch Androhen von Nachteilen dazu bewegen wollte, ihm nachträglich im Rahmen eines laufenden Vertragsverhältnisses einen Preisnachlass oder sonstige Vorteile zu gewähren. Für diese Beurteilung kommt es in besonderem Maße auf die Umstände des Einzelfalls an.
Ein allgemeiner Bezugszwang lässt sich nur in seltenen Ausnahmefällen begründen.

Lieferverweigerung
Was für marktmächtige (Handels-)Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten gesagt wurde („Auslistung“), gilt auch umgekehrt für die Lieferverweigerung durch marktmächtige (marktbeherrschende und marktstarke) Lieferanten. Diese dürfen zwar ihre Kunden grundsätzlich frei wählen und auch hohe Preise und günstige Konditionen aushandeln. Sie dürfen ihre Forderungen aber nicht mit unlauteren Mitteln durchsetzen.
Eine Lieferverweigerung kann sachlich begründet sein, etwa durch die Entscheidung des Unternehmens, seine Produkte nur über ein bestimmtes Vertriebsnetz (selektiver Vertrieb) zu verkaufen. Im Rahmen einer solchen Vertriebsentscheidung, die auch marktbeherrschende Unternehmen grundsätzlich frei treffen können, müssen aber alle in Betracht kommenden Abnehmer gleich behandelt werden.

Koppelungsverbot
Ein missbräuchliches Verhalten kann darin liegen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen den Verkauf eines Produktes ohne sachlichen Grund mit dem Verkauf eines anderen Produktes oder einer anderen Dienstleistung koppelt. Das kann dann der Fall sein, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen beim Verkauf patentgeschützter Produkte oder im Rahmen von Lizenzverträgen von seinen Geschäftspartnern zugleich den Kauf nicht geschützter anderer Produkte verlangt.

Verkauf unter Einstandspreis
Unternehmen, die gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen überlegene Marktmacht haben, dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, die kleinen und mittleren Unternehmen unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung wird angenommen, wenn Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis angeboten werden. Das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis greift also nicht erst ein, wenn ein Unternehmen marktbeherrschend ist. Es gilt vielmehr bereits für Unternehmen, die im Vergleich zu den auf dem gleichen Markt tätigen kleineren und mittleren Wettbewerbern eine überlegene Position innehaben, etwa aufgrund ihrer Finanzkraft. Werden Waren nicht nur gelegentlich, sondern systematisch über längere Zeit unter ihrem Einstandspreis angeboten, ist dies nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn hierfür eine sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Eine sachliche Rechtfertigung kann vorliegen, wenn es sich bei dem Angebot unter Einstandspreis um die Anpassung an einen Wettbewerbspreis handelt, sofern dieser nicht ebenfalls unter Einstandspreis gebildet ist.

Rabattsysteme
Bestimmte Rabattpraktiken marktbeherrschender Anbieter können einen Missbrauch ihrer Marktstellung darstellen. Dies gilt insbesondere für Treuerabatte und ggfs. auch für Umsatzrabattsysteme. Mengenrabattsysteme dagegen, deren Höhe ausschließlich vom Umfang des einzelnen Auftrages eines Abnehmers abhängen, können auch von marktbeherrschenden Lieferanten gewährt werden. Das Gleiche gilt für Funktionsrabatte. Diese knüpfen an bestimmte Leistungen des Abnehmers für den Lieferanten an (z. B. Großhandelsfunktionsrabatte, Rabatte für Lagerhaltung, Transport der Ware, intensive Werbung für die Produkte).
Ergänzend siehe Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 18 f

III. Sanktionen bei Kartellverstößen

siehe hierzu Leitfaden Kartellrecht (Online-Broschüre), Seite 19 ff

IV. Besonderheiten für kleine und mittlere Unternehmen

Es ist zu beachten, dass der deutsche – anders als der europäische – Gesetzgeber es für notwendig erachtet hat, Ausnahmen für wettbewerbsrelevante Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zu machen. Diese Zulässigkeit sog. Mittelstandskartelle soll einen Ausgleich hinsichtlich der Vorteile schaffen, die große Unternehmen oftmals allein aufgrund ihrer Größe bei der Beschaffung, der Produktion oder dem Vertrieb haben. § 3 GWB knüpft diese Ausnahme vom Kartellverbot jedoch an Bedingungen, die insbesondere die Größe der beteiligten Unternehmen und die Art der Vereinbarung betreffen. Eine solche Ausnahme für Mittelstandskartelle besteht im europäischen Kartellrecht nicht. Aufgrund des Vorrangs des europäischen Rechts profitieren deshalb Vereinbarungen dann nicht von diesem Privileg, wenn sie sich über die Grenzen Deutschlands auswirken und eine spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU nach sich ziehen. (weitere Informationen)