Gezielte Mitbewerberbehinderung
Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist.
Grundsätzlich werden durch fast jede geschäftliche Handlung seine Mitbewerber behindert. Das liegt insbesondere daran, dass jeder, der Waren oder Dienstleistungen anbietet, stets die anderen Anbieter alleine durch seine Konkurrenz behindert. Damit werden diese in ihrer geschäftlichen Entfaltungsfreiheit eingeschränkt. Diese Konkurrenz ist auf einem freien Markt selbstverständlich erwünscht, sie ist Grundvoraussetzung für eine freie Marktwirtschaft. Andernfalls würde unser Wirtschaftssystem selbst in Frage gestellt. Nicht jede Form der Behinderung kann daher wettbewerbswidrig sein. Unlauter handelt gemäß § 4 Nr. 4 UWG, wer Mitbewerber durch geschäftliche Handlungen gezielt behindert.
Wann durch die Art und Weise, wie der Konkurrent vorgeht, die Grenze der Unlauterkeit überschritten wird, kann nur im Einzelfall, und zwar unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.
Voraussetzung ist also zunächst, dass es sich eine eine geschäftliche Handlung handelt:
Eine geschäftliche Handlungen ist jedes Verhalten eines Unternehmers zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Nr. 4 UWG ist, dass es sich um einen Mitwerber handeln muss, der gezielt behindert wird. Mitbewerber ist nach § 2 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.
Der Wortlaut des § 4 Nr. 4 UWG ist sehr weit gefasst. Die offene Formulierung dient der Erfassung aller Erscheinungsformen des Behinderungswettbewerbs. Im Folgenden können daher nur die wichtigsten Fallgruppen der gezielten Behinderung eines Mitbewerbers dargestellt werden:
Preisunterbietung
Der Preis ist wohl der mit Abstand wichtigste Parameter, den es bei der Werbung um die Gunst des Kunden gibt. Die Preisunterbietung ist als Teil des freien Wettbewerbs allerdings grundsätzlich erlaubt und für einen freien Wettbewerb auch unerlässlich. Wer die Preise der Konkurrenz unterbietet, um deren Kunden abzuwerben, fügt dem Mitbewerber mitunter einen empfindlichen Schaden zu, handelt jedoch grundsätzlich nicht unlauter. Unlauter wird die Preisunterbietung erst dann, wenn mit ihr der Konkurrent vom Markt verdrängt werden soll. Dies ist vor allem der Fall, wenn der geforderte Preis nicht einmal die Selbstkosten deckt sondern unterschreitet.
Darüber hinaus kann die Preisunterbietung aufgrund der eingesetzten Mittel wettbewerbswidrig sein, z.B. durch eine vorgetäuschte Preissenkung.
Bei der Beurteilung, ob die Preisunterbietung tatsächlich mit Verdrängungsabsicht erfolgt ist, ist auf die Marktstruktur und die Bedeutung der Maßnahme für den Markt abzustellen. Es kommt jedoch auf eine Vielzahl von Faktoren an. So kann ein Markteinsteigers mit seinenEröffnungsangeboten eine deutlich aggressivere Preispolitik betreiben, als ein etablierter Marktführer, ohne dass dies eine unlautere Mitbewerberbehinderung darstellt.
Boykott
Eine weitere Form der Mitbewerberbehinderung ist der Boykott. Unter einem Boykott versteht man den Aufruf eines Unternehmers an andere Unternehmen oder die Öffentlichkeit, die Waren oder Dienstleistungen eines dritten Unternehmens zu meiden und geschäftliche Kontakte zu diesem zu unterlassen. Der Boykottaufruf muss geeignet sein, den Adressaten in seiner freien Willensbildung zu beeinflussen. Dies kann grundsätzlich jede Empfehlung, Bitte, Hoffnung oder Kritik sein, durch die der Entscheidungswille des Adressaten unmittelbar oder auch nur unterschwellig beeinflusst werden kann.
Einem Boykott liegt grundsätzlich ein Dreipersonenverhältnis zugrunde, nämlich zwischen dem Boykottierer, dem Boykottierten und schließlich dem Adressaten des Boykottaufrufs. Letzterer muss als Adressat nicht zugleich Ausführender des Boykotts sein. Eine Aufforderung an den Adressaten, weitere Personen zur Durchführung der Sperrung zu gewinnen, reicht aus.
Ausspannen von Kunden
Das Abwerben von Kunden gehört ebenso zum Kern zur freien Marktwirtschaft wie die Preisunterbietung. Eine Behinderung der Mitbewerber durch das Abwerben von Kunden kann daher nur in bestimmten Ausnahmesituationen nach § 4 Nr. 4 UWG unlauter sein. Es müssen also besondere Umstände vorliegen die den Wettbewerb verfälschen, damit das grundsätzlich zulässige Abwerben von Kunden unlauter und damit unzulässig wird, hierzu zählt beispielsweise die Herabsetzung des Mitbewerbers beim Kunden oder die Vorspiegelung, der gesuchte Vertragspartner zu sein.
Abwerbemaßnahmen in direkter räumlicher Nähe zu den Geschäftsräumen eines Konkurrenten sind unlauter, wenn der Werbende den Kunden nötigt, um eine Änderung seines Kaufentschlusses zu erzwingen.
Zum Wesen eines unverfälschten Wettbewerbs gehört es auch, mit der Konkurrenz einen Wettkampf um die Gunst des Verbrauchers mit einem nach Qualität und Preis besseren Angebot zu führen. Auch wenn der Kunde vertraglich gebunden ist, so ist es nicht grundsätzlich unzulässig, ihn abzuwerben. Unlauter wird eine Abwerbung hingegen, wenn der Werbende eine aktive Rolle einnimmt und den Kunden zur vorzeitigen, vertragswidrigen Kündigung an- oder aufstiftet. Eine Verleitung zum Vertragsbruch ist gegeben, wenn der Kunde grundlos oder unter Missachtung der Kündigungsfrist den Vertrag beendet und der Mitbewerber bewusst darauf hingearbeitet hat. Eine solche Verleitung zum Vertragsbruch stellt eine unzulässige gegen einen Mitbewerber gerichtete Behinderungshandlung dar.