Interview: Commitment zum Standort
Langjährige Erfahrung und eine hohe Affinität in den Bereichen des produzierenden Gewerbes und der Beratung von Industrieunternehmen zeichnen Andrea Eckert (Geschäftsführende Gesellschafterin Weppler Filter GmbH), Stefanie Kaulich (Geschäftsführerin Beyer & Kaulich Unternehmensberatung GmbH) und Dr. Thomas W. Büttner (Geschäftsführer ICIG Energy Services GmbH) aus. Ein Gespräch mit den neuen Vorsitzenden des Industrieausschusses der IHK-Frankfurt am Main.
Was hat Sie bewogen, sich ehrenamtlich in der IHK Frankfurt am Main zu engagieren?
Eckert: Ich bin über meinen Vater mit der IHK in Berührung gekommen und wie er bin ich der Meinung: „Meckern können viele, aber hier kann man Kritik auch konstruktiv miteinfließen lassen.“ Man hat hier die Chance Impulse zu geben, sich mit anderen Mitgliedern auszutauschen und Synergien zu nutzen.
Büttner: Für mich war es die Möglichkeit, Ideen einzubringen und mitgestalten zu können. Darüber hinaus ist der Netzwerkgedanke, der mit dem Ehrenamt einhergeht, sehr wichtig. Man merkt, dass man mit seinen Anliegen nicht allein ist, findet Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die zusammen an Themen arbeiten.
Kaulich: Ich kann mich dem nur anschließen; mir geht es darum etwas zu bewegen und etwas zu verändern, das war schon immer mein Antrieb. Anstelle von Problemzentrierungen interessieren mich vor allem Lösungsvorschläge und genau diese machen wir hier auch.
Wie kann man sich das Ehrenamt in einer IHK vorstellen? Was sind Ihre Aufgaben?
Eckert: Man kann sich dort einbringen, wo die persönlichen Stärken liegen. Es gibt viele Arbeitskreise zu unterschiedlichen Themen sodass die Möglichkeit besteht an einem oder mehreren Inhalten mitzuwirken.
Büttner: Es hängt natürlich viel davon ab, wie man sich einbringen möchte. Man kann das Engagement gestuft angehen. Es besteht die Möglichkeit zwei Mal pro Jahr an einer Ausschusssitzung teilzunehmen oder darüber hinaus viele weitere Veranstaltungen der IHK wahrzunehmen oder in Gremien wie die Vollversammlung oder das Präsidium gewählt zu werden. Dies setzt in der Konsequenz ein höheres zeitliches Engagement voraus.
Kaulich: Ich finde das Ehrenamt der IHK inspirierend und vielseitig. Man kommt nicht nur mit vertrauten Themen in Berührung, sondern auch mit solchen, bei denen man selbst über kein Expertenwissen verfügt.
Mit Blick auf die letzte Vollversammlungswahl: Was würden Sie Unternehmerinnen und Unternehmern mitgeben, um sie ebenso für ein ehrenamtliches Engagement zu begeistern?
Eckert: Durch das Ehrenamt der IHK hat man die Chance mit der Politik und anderen Unternehmen in Kontakt zu kommen, seine Themen zu positionieren und zu bündeln. Nur so werden wir stark und sind wir stark.
Büttner: Im Vergleich zur Ausschussmitgliedschaft ist bei der Vollversammlung ein anderes Commitment erforderlich. Letztlich werden dort wegweisende Entscheidungen im Bereich Budget getroffen sowie politische Statements verabschiedet. Das sehe ich schon als einen weiteren Schritt an. Und natürlich wächst der Einfluss, den man auf Themen legen kann.
Kaulich: Ich hatte es eingangs schon erwähnt, wir arbeiten nicht problemzentriert, sondern suchen Lösungsvorschläge. Das heißt ich konzentriere mich nicht nur auf mich und mein Unternehmen, sondern setze mich aktiv für andere und für den Standort FrankfurtRheinMain ein.
Für Sie alle kam nun eine weitere ehrenamtliche Aufgabe dazu: der Vorsitz des Industrieausschusses. Was war Ihre Motivation für diesen „nächsten Schritt“?
Eckert: Ich möchte vor allem auf die guten Dinge aufmerksam machen, welche von uns Unternehmerinnen und Unternehmern zum Beispiel beim Thema Klima- und Umweltschutz bereits umgesetzt werden und mit Vorurteilen aufräumen.
Kaulich: Ich sehe in der neuen Aufgabe eine Chance, stellvertretend auch den kleineren Unternehmen, welche den Kern der Industrie bilden, mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Außerdem möchte ich dazu beitragen, das Potenzial der Industrie hier im IHK-Bezirk mehr in den öffentlichen Fokus zu rücken und auf das Positive des Industriestandortes aufmerksam machen.
Büttner: Ich kann mich den genannten Punkten nur anschließen. Die bereits erwähnte Stimme finde ich sehr wichtig, weil wir hierdurch auf die Themen aufmerksam machen können, welche die Unternehmen wirklich betreffen und vor Herausforderungen stellen. Zu nennen sind hier vor allem die hohen Energiepreise und fehlende Flächen.
Blicken wir auf Ihre bisherige Zeit im Ehrenamt der IHK zurück. Was waren Ihre persönlichen Highlights, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?
Eckert: Die erfolgreiche Rebellion gegen die Umwandlung des Osthafens. Dieser wird von Unternehmen dringend benötigt und sollte nicht in Wohnraum umgewandelt werden.
Büttner: Für mich sticht der Think Tank „Nachhaltige Produktion“ hervor. Wir haben damit einen Grundstein gelegt und das Ergebnis dieses Projekts kann sich sehen lassen.
Kaulich: Der Unternehmerinnen-Tag ist mir in all den Jahren meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der IHK in sehr guter Erinnerung geblieben. Ich finde es sehr spannend mit Frauen unterschiedlichen Alters in Kontakt zu kommen, die entweder bereits gegründet haben oder sich für eine Gründung interessieren. Vor allem ist es derzeit interessant zu beobachten, dass sich mehr Frauen für die Gründung im Bau- und Technologiegewerbe interessieren.
Die Industrie steht gerade vor vielen Herausforderungen und ist gleichzeitig eine Schlüsselbranche für die Transformation hin zur Klimaneutralität. Wie sieht Ihre Agenda für den Ausschuss in den nächsten zwei Jahren aus?
Eckert: Mit Blick auf derzeitige Aussagen der Bundesregierung, welche sich durchaus als Tendenz zur Deindustrialisierung deuten lassen, müssen wir als Industrie sehr deutlich erklären, wofür wir da sind, was wir gut können und was bereits alles getan wird.
Büttner: Wir müssen uns auch für kleinere Unternehmen, welche aktuell noch nicht unter strenge, rechtliche Bestimmungen fallen, einsetzen und diese für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren. Diese Unternehmen laufen Gefahr von ihren Kunden in die Pflicht genommen und damit vom Markt ausgeschlossen zu werden. Diese große Anzahl von Unternehmen mitzunehmen, ist eine Mammutaufgabe.
Kaulich: Wir wollen im Industrieausschuss die drängendsten Themen aufgreifen und uns so dem Abgesang auf die Industrie entgegenstellen. Dies sind beispielsweise Energiepreise, Versorgungssicherheit, Digitalisierung, fehlende Flächen und Fachkräfte und vor allem die Bürokratie und Überregulierung.
Frau Eckert, haben Sie als Unternehmerin im Bereich des produzierenden Gewerbes den Eindruck, dass bereits viele Ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter einen nachhaltigen Weg eingeschlagen haben?
Eckert: Aus wirtschaftlicher Sicht führt für Unternehmen kein Weg an nachhaltigen und klimaschonenden Investitionen und den damit verbundenen Zertifikaten vorbei. Selbstverständlich lässt sich über die Intensität solcher Investitionen diskutieren, aber ohne sie wird es schwer noch etwas zu verdienen.
Ein anderes Thema: Blicken wir auf den Standort Frankfurt. Was läuft aus Ihrer Sicht gut und wo haben wir Nachhol- oder Verbesserungsbedarf?
Eckert: Aufgrund der vorteilhaften Infrastruktur, einer internationalen Ausrichtung und kurzer Wege, ist Frankfurt ein guter Standort für die Ansiedlung von Unternehmen. Die Verkehrsanbindung für den LKW und Fernverkehr jedoch ist herausfordernd und steht zudem in Verruf. Als Unternehmerin oder Unternehmer hat man nicht unbedingt das Gefühl hier auf der Straße willkommen zu sein. Hinzu kommt eine fehlende Planungssicherheit für das produzierende Gewerbe durch potenziell heranrückende Wohnbebauung.
Büttner: Deindustrialisierung und eine übermäßige Ansiedlung von Rechenzentren stellen Probleme für den Industriestandort Frankfurt dar. Hinzu kommt die Abwanderung von Mitstreitern wie Samson und Biospring in andere Kammerbezirke. Es fehlt ein kohärentes Konzept mit einem klaren Bekenntnis zur Industrie in Frankfurt.
Kaulich: Frankfurt bietet mit seinen Theatern, Museen und unterschiedlichen Festivals eine große kulturelle Vielfalt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich Unternehmen oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Stadt identifizieren können. Hierzu fällt mir als Beispiel die Fressgass mit ihrem schicken Außenauftritt und entsprechender Klientel ein. Ich halte es für fraglich, ob sich Blaumänner hier ebenfalls willkommen fühlen.
Zum Abschluss blicken wir auf die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Frankfurt: Welche drei Wünsche hätte jeder von Ihnen?
Büttner: Ich wünsche mir seitens der Politik mehr Ehrlichkeit bei den Flächen, mehr Unterstützung beim Fachkräftemangel und ein stärkeres Commitment zum Standort Frankfurt am Main.
Kaulich: Ich wünsche mir einen Ausbau des positiven Images der Stadt Frankfurt und damit einhergehend eine verbesserte Vermarktung des Industriestandortes. Darüber hinaus ist eine verbesserte Verkehrspolitik wünschenswert.
Eckert: Ich beschränke mich auf zwei Wünsche und wäre für ein starkes Unternehmensmarketing für unsere Region - mit Hilfe der IHK - dankbar. Des Weiteren muss sich die Stadt dazu bekennen, dass es in Zukunft noch Industrie am Standort geben soll.
Das Interview führten Michael Haag und Joris Smolders (beide IHK Frankfurt am Main).