Das Schutzschirmverfahren in der Insolvenz

Seit 2012 können Unternehmer das sogenannte Schutzschirmverfahren gemäß § 270d Insolvenzordnung (InsO) beantragen. Dabei handelt es sich um ein besonderes Insolvenzverfahren, das dazu dient, die Chancen eines überlebensfähigen Unternehmens zu erhöhen, eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

I. Sinn und Zweck

Im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kann der Unternehmer das Schutzschirmverfahren beantragen. Zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit bezweckt dieses eine nachhaltige Unternehmenssanierung durch die Aufstellung eines Sanierungsplans unter Eigenverwaltung. Dieser Sanierungsplan wird nach ggf. anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzplan durchgeführt.

Während des Schutzschirmverfahrens führt der Unternehmer die Geschäfte in Eigenverwaltung weiter, er unterliegt also anders als im Regelinsolvenzverfahren, keinen Verfügungsbeschränkungen. Er steht lediglich unter der Aufsicht eines zu bestellenden vorläufigen Sachwalters.

II. Voraussetzungen

Damit der Unternehmer das Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung durchlaufen kann, müssen die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung - bei schon eingetretener Zahlungsunfähigkeit ist das Schutzschirmverfahren ausgeschlossen,
  • Die Sanierung des Unternehmens ist nicht offensichtlich aussichtslos,.
  • Antrag auf Eigenverwaltung des Unternehmers unter Beifügung einer Eigenverwaltungsplanung bzw. Antrag auf Durchführung des Schutzschirmverfahrens.

III. Ablauf des Verfahrens Eigenverwaltungsverfahren unter Beifügung einer Eigenverwaltungsplanung

Die Beantragung erfolgt (nur) durch den Unternehmer selbst bei dem am Sitz des Unternehmens zuständigen Amtsgericht.

Das Gericht ordnet die vorläufige Eigenverwaltung an, wenn die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht, § 270b Abs. 1 InsO.

Die Eigenverwaltungsplanung umfasst gemäß § 270a InsO:

  • einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll,
  • ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
  • eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
  • eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
  • eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

Gemäß § 270a Abs. 2 InsO hat der Schuldner ferner zu erklären,
  • ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
  • ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
  • ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs nachgekommen ist.

Für die Entscheidung über die Eigenverwaltung berücksichtigt das Gericht zudem , ob Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Dazu ist im Vorhinein der ggf. eingesetzte vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören. Stimmt dieser der vorläufigen Eigenverwaltung einstimmig zu, ist das Gericht an diese Entscheidung gebunden und hat die vorläufige Eigenverwaltung anzuordnen. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

IV. Der Antrag auf Durchführung des Schutzschirmverfahrens, § 270d InsO

Das Schutzschirmverfahren (§ 270 b InsO) ist ein Spezialfall der Eigenverwaltung, um die Umstrukturierung bzw. Sanierung des Unternehmens des Schuldners durch frühzeitiges Handeln zu erleichtern.

Zur Durchführung des Schutzschirmverfahrens ist neben dem Antrag auf Eigenverwaltung eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation einzureichen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Neben der Bescheinigung ist ein ist zwingend ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen an den Antrag beizufügen.

Auf Antrag des Schuldners sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen.

Daneben ist die Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans zu beantragen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen bestimmt das Gericht hierfür eine Frist von höchstens drei Monaten. In dieser zeit ist das Unternehmen vor dem Zugriff seiner Gläubiger geschützt und der Unternehmer kann unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters den  Sanierungsplan erarbeiten.

V. Das weitere Verfahren

Nach Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung oder nach erfolglosem Ablauf der Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Blieb die Durchführung des Schutzschirmverfahrens zum Zwecke der Unternehmenssanierung erfolglos, wird grundsätzlich das Regelinsolvenzverfahren durchgeführt. In diesem kann das ausgearbeitete Sanierungskonzept im Wege der Durchführung des Insolvenzplans realisiert werden. Sollten die Voraussetzungen zur Eigenverwaltung weiterhin erfüllt sein, ordnet das Gericht sie auch für das Insolvenzverfahren an. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bleibt dann im Gegensatz zum üblichen Insolvenzverfahren bei dem Unternehmen und geht nicht auf einen Insolvenzverwalter über. Der Unternehmer hat dann als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten die Befugnis, im Einklang mit den Rechten und Pflichten nach den §§ 270 ff. InsO, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.

VI. Vor- und Nachteile

Das Schutzschirmverfahren ermöglicht es Unternehmern, ein Insolvenzverfahren unter eigener Führung zu durchlaufen. In Abweichung zum Regelinsolvenzverfahren kann dem Unternehmer kein Zustimmungsvorbehalt oder allgemeines Verfügungsverbot auferlegt werden. Er unterliegt lediglich der Aufsicht des Insolvenzgerichts und des vorläufigen Sachwalters. Letzterer tritt jedoch anders als ein Insolvenzverwalter nicht „nach außen“ im Verhältnis zu Vertragspartnern des Unternehmens auf, sondern überwacht bloß interne Vorgänge. Damit ist mit dem Schutzschirmverfahren zugleich eine positivere Außenwirkung verbunden, da es allgemein als Sanierungs-Verfahren aufgefasst wird.

Darüber hinaus ist der Unternehmer bis zu einem Zeitraum von drei Monaten weitgehend dem Zugriff der Gläubiger entzogen, wenn er die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt hat. Zudem können für bis zu drei Monate Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. Hinzu kommt, dass sich der Unternehmer von Dauerschuldverhältnissen mit unter Umständen langen Laufzeiten einfacher lösen kann. Denn für Mietverträge gilt, dass der Unternehmer als Mieter, diese mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, wenn nicht eine kürzere Frist gilt. Das gilt auch für die Kündigung von Dienstverhältnissen.

Das Schutzschirmverfahren birgt aber auch Nachteile im Vergleich zum vorläufigen Insolvenzverfahren. So entstehen für die Bescheinigung über das Nichtvorliegen einer Zahlungsunfähigkeit des in Insolvenzsachen erfahrenen Dritten nicht unerhebliche Kosten. Zudem kann das Unternehmen in der vergleichsweisen kurzen Frist zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans von maximal drei Monaten unter zeitlichen Druck geraten. Darüber hinaus sind der Schuldner und der vorläufige Sachwalter verpflichtet, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit diesen Umstand unverzüglich dem Gericht anzuzeigen. Erfolgt die Anzeige nicht oder zu spät, kommt eine Haftung des Sachwalters sowie des Schuldners bzw. seiner Organe in Betracht.

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